Willkommen im Lockwitztal

Im Tal der Wassermühlen

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Letzte Aktualisierung: 18.02.2025
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Otto Rüger, Schokoladenfabrik im Lockwitztal 1860 bis 1934

Als Gründungstag der Firma Otto Rüger gilt der 3. Juli 1858. Aber erst im Oktober 1859 kaufte Otto Rüger die Lobeck´sche Schokoladenmühle im Lockwitzgrund (Flur Sobrigau) für 1300 Taler von August Friedrich Lobeck. Monate später, ab dem 15. April 1860 firmiert das Unternehmen unter dem neuen Namen Otto Rüger. Die Rüger´sche Schokoladenfabrik liegt idyllisch und abgelegen im Lockwitzgrund. Zwischen der Schmidts-Mühle und der Lobeck Mühle gab es bis zum anlegen der heutigen Straßenführung nach Kreischa einen unbefestigten Weg. Dieser führte “Über den Berg” oberhalb der Schmidts-Mühle und späteren Papierfabrik zu Rügers. Erst durch eine Sprengung des Höhenzuges “Eselsrücken” oberhalb der `Rüger`s Fabrik ist 1880 der Weg frei für die Straße im Lockwitztal nach Kreischa . Der Mühlgraben der zur alten Mühle führt bleibt von den Veränderungen unberührt. Sein Verlauf durch den Eselsrücken in einem unterirdischen Graben bleibt bestehen. Im August 1908 bittet die Firma Otto Rüger, Schokoladen- und Zuckerwarenfabrik in Sobrigau letztmalig bei der Amtshauptmannschaft in Dresden-Altstadt um die Genehmigung zum Einbau eines steinernen Wehres im Lockwitzbach. Dem Antrag wurde stattgegeben. Wie alles begann Zunächst beginnt Otto Rüger als erster mit der Herstellung von englischen Bisquit in Sachsen. Dazu kommt noch Schokolade und anderen Zuckerwaren, die er mit fünf Arbeitskräften in der kleinen Manufaktur neben dem Wohnhaus herstellt. Die fünft Arbeitskräfte waren im einzelnen ein alter Müller, ein Kutscher, ein Packmädchen, ein Hausmädchen und einem Laufburschen. Zwischen Wohnhaus, Manufaktur und Pferdestall führte der Mühlgraben um anschließend zur Radstube mit zwei Wasserrädern zu gelangen. 1862 wird mit den Bauarbeiten für ein neues Wohnhaus begonnen, dem späteren Verwaltungsgebäude. Nun können für kurze zeit weitere Mitarbeiter eingestellt werden. Aber durch den Krieg 1866 und 1870/1871 sank der Absatz so stark dass Mitarbeitern gekündigt werden bzw. diese zum Kriegsdienst herangezogen werden.
Schokoladen-Fabrik wird erweitert Erst in den Jahren um 1875 werden erste Maschinen angeschafft und die Mitarbeiterzahl steigt langsam auf 200 Beschäftigte an. Die Erfolge der Firma zum 25ten Betriebsjubiläum veranlassten den sächsischen König Albert zum ersten Mal die Fabrik im Lockwitztal zu besuchen. 1890 erhielt die Firma Otto Rüger den Titel “sächsischer Hoflieferant” verliehen. Fünf Jahre später, zum 30jährigen Firmenjubiläum im Juli 1888 versammelten sich etwa 200 Mitarbeiter im Oberen Gasthof in Lockwitz zu einer Festveranstaltung. Otto Rüger überraschte hier die anwesenden mit der freudigen Nachricht, dass er für seine Mitarbeiter eine Invaliditäts- und Altersvorsorgkasse mit einen Grundkapital von 18 000 Mark gegründet hat. Rüger war nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, sondern setzte sich auch für soziale Belange ein. U.a. besaß das Unternehmen einen firmeneigenen Kindergarten in Lockwitz, ein warmes Mittagessen und Sozialräume für alle Mitarbeiter standen ebenso zur Verfügung. Für sein soziales Arrangement darf Otto Rüger den Titel eines geheimen Kommerzienrates tragen. Diese Auszeichnung verlieh der König Persönlichkeiten für deren besonderen Leistungen gegenüber seinen Angestellten. Um 1898 beschäftigte die Firma Otto Rüger etwa 350 Personen.
Geschäftsbrief
Schokoladen-Fabrik wird ein zweites mal erweitert Im Jahr 1885 kaufte Otto Rüger die Hintermühle in Lockwitz und verlagerte einen Teil der Kakaoproduktion dorthin aus. Fortan hieß die ehemalige Lobeck´sche Schokoladenmühle „Obere Fabrik“ und die Hintermühle in Lockwitz wird „Untere Fabrik“ (Kakaomühle) genannt. Die Verfahren zur Herstellung von Schokolade werden immer besser und so werden u.a. Reinigungs- und Sortiermaschinen, Röst- und Brechmaschinen bis hin zur Conche aufgestellt. 1923 wird die „Untere Fabrik“ wieder geschlossen. In den folgenden Jahren, bis 1928 wächst das Unternehmen zu einer der größten und bedeuteten Schokoladenfabriken im Dresdner Raum (bis 1945 Hochburg der Schokoladenindustrie in Deutschland) heran. Stellvertretend für weitere Firmen in Dresden sei hier als größter Schokoladenhersteller Hardwig & Vogel mit mehr als 2000 Beschäftigte genannt.
Rüger Hansi eine Werbefigur Ein weiterer wichtigen Erfolg war 1895 die Entstehung der Markenfigur “Hansi”. Durch ihn wurde die Schokoladenfabrik Otto Rüger mit all seinen Produkten weit über die Grenzen bekannt. Als Modell soll der kleine Sohn Paul des Malers Otto Ziege Pate gestanden haben. Rüger hat es verstanden mit intensiver Werbung den „Hansi“ mit Wanderstab und Rucksack auf allen Verpackungen einzusetzen. So entwickelte sich bis heute ein bekanntes Markenzeichen, was für viele Sammler ein begehrtes Sammlerobjekt darstellt. Egal ob Blechdose, Holz- und Pappschachtel, Emailleschild oder Ansichtskarten, alles bereichert heute noch so manche Sammlung.
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Werbung auf Ansichtskarten
Besuch des sächsischen König 16.April 1908 Am 19. Juni 1883 besuchte seine Majestät König Albert die Fabrik, am 21. März 1892 seine Königl. Hoheit Prinz Friedrich August, der jetzt als König Friedrich August wiederum hier einkehrte, um das Etablissement mit seiner Gegenwart auszuzeichnen. Die Fabrikinhaber und deren Damen begrüßten seine Majestät und überreichten ihm prachtvolle Buketts. Nach einem kleinen Imbiss erfolgte die Besichtigung der Fabrik. Der Rundgang erstreckte sich auf die Kakao-Sortier-, Röst- und Mahlanlage, auf die Kakao- Pulverfabrikation, wobei namentlich eine Anlage, die vierzig Zentner täglich fertiges Kakaopulver zerkleinert und siebt, Beachtung fand. Des weiteren wurden die Tag und Nacht arbeitenden Längsreibemaschinen, Walzenstühle und Kollergänge, die zur Fabrikation der feinen und feinsten Schokolademassen dienen, besichtigt. Es folgte dann der Besuch des Eintäfelungs-Raumes, wobei die automatisch arbeitende große Wiege- und Eintäfelungs-Maschine, die die größte Sauberkeit bei der Fabrikation ermöglicht, Beachtung fand. Darauf wurden die Versand-Abteilung, die Verpackungsräumlichkeiten für Schokolade besichtigt, wobei die Napolitain-Einwickelungs- Maschine, deren Leistung zirka 3600 Täfelchen pro Stunde ist, besonders beachtet wurde. Dann wurden die Versand- und Verpackungsräume für feine Desserts, Pralinés und Figuren besichtigt. Hier befand sich auch die Generalstabskarte der Firma, die Deutschland in 90 Karten einteilt, und auf welcher mit Nadeln die von den Reisenden besuchten Plätze markiert sind. Des weiteren wurden die Abteilungen für Marzipan- und Osterartikel sowie Pralinéüberziehung, Biskuit-. und Karamell-Fabrikation in Augenschein genommen. Zum Abschied wird dem Königlichen Prinzen und Prinzessinnen Bonbonieren überreicht.
Sächsicher König August Friedrich zu Besuch bei Otto Rüger
Otto Rüger und die Lockwitztalbahn Eine bedeutende Verbesserung des Warentransportes brachte 1906 die Eröffnung der Straßenbahnlinie Niedersedlitz- Lockwitz - Kreischa. Die Rohstoffe und Fertigwaren konnten nun schneller und sicherer mit der Straßenbahn nach Niedersedlitz zum Bahnhof gebracht werden. Bereits viel früher, schon bei der Planung 1898 für eine meterspurige Eisenbahn übernahm Otto Rüger den Vorsitz des von den Gemeinden gebildeten Ausschusses. Die Streckenführung sah vor, ausgehend von Niedersedlitz über Kreischa , Maxen, Dippoldiswalde diese nach Sayda und Hermsdorf zu führen. Dem Anliegen einer Eisenbahn wurde von der sächsischen Staatsregierung jedoch abgelehnt. So blieb aus Kostengründen nur eine Straßenbahnlinie nach Kreischa übrig. Die Eröffnung der Lockwitztalbahn 1906 erlebte Otto Rüger jedoch nicht mehr, er verstarb im August 1905.
Das Ende der Schokoladenfabrik im Lockwitztal Nach 75 Jahren kam es zu wirtschaftlichen Turbulenzen. Es folgte Ende Januar 1934 die Einstellung der Schokoladenproduktion im Lockwitzgrund. Bereits vorher, im August 1931, wurde vergebens versucht die Zahlungsschwierigkeiten der Firma Otto Rüger abzuwenden. In einen außergerichtlichen Vergleich konnte die Firma nicht wieder auf gesunde finanzielle Füße gestellt werden, es blieb nur noch die Stilllegung mit hunderten Angestellten. In den darauf folgenden Jahren werden einzelne Gebäude zu Wohnungen umgebaut. Es stehen aber weiterhin noch Büros und Lagerflächen u.a. für die Kelterei Donath zur Verfügung. Erst 1992 wird die gesamte Anlage rekonstruiert. Dabei werden vereinzelt Gebäude abgerissen und durch Neubauten ersetzt.
Rüger und die Schokoladen-Industrie Minderwertigen Kakaoerzeugnisse waren damals keine Seltenheit auf dem Markt. Rüger bemühte sich gemeinsam mit anderen Schokoladenfabrikanten um eine gesetzliche Regelung. Der Vertrieb von verunreinigter Schokolade sollte unterbunden werden. Nachdem sich bereits im Januar 1877 eine große Anzahl von Interessenvertretern in Frankfurt/Main zusammengefunden hatte, kam es im gleichen Jahr am 25. August in Leipzig zur Gründung des Verbands deutscher Schokoladenfabrikanten. Als Gründungsmitglied rückte Otto Rüger bereits 1878 in den Zentralausschuss auf. Und am 10.9.1881 wurde der vielseitig engagierte Unternehmer zum Vorsitzenden des Verbandes gewählt. Vier Jahre später regte der Verband deutscher Schokoladenfabrikanten die Gründung der Nahrungsmittel-Industrie-Berufsgenossenschaft zur Einrichtung einer branchenübergreifenden Unfallversicherung für Arbeiternehmer an. In seiner 16-jährigen Amtszeit fällt auch die Verlegung der Geschäftsstelle von Leipzig nach Dresden.
Ein Zweigwerk entsteht in Tschechien Um auch in Österreich (damals der zweit wichtigster Markt) bestehen zu können, entsteht 1896 ein großes Zweigwerk in Bodenbach dem heutigen Dècin im Tschechien. Das hatte auch zum Vorteil Zölle in die K.u.K Monarchie Österreich-Ungarn zu umgehen. Das Produktionsvolumen konnte damit erhöht und die verschiedensten Süßwaren in ganz Europa und Nordamerika vertrieben werden. Conrad Rüger war Senior-Chef des Zweigunternehmens der Firma Otto Rüger, das später selbständig und schließlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Conrad Rüger schaffte es die angesehene Firma Otto Rüger wieder zu Neuer blühte zu führen. Besonders nachdem die Firma im Lockwitzgrund 1934 stillgelegt werden musste. Dieses Werk in Böhmen produziert bis zur Enteignung 1945. Danach produziert die Firma weiter ununterbrochen Süßigkeiten. Heute ist das ehemalige Zweigwerk von Otto Rüger in Dècin ebenfalls geschlossen.
Der Versuch eines Neuanfang nach 1945 Nachdem die Firma Otto Rüger in Bodenbach verloren war, versucht die Schokoladenfabrik Otto Rüger KG (1949) einen Neuanfang in Bruchsal in Baden-Württemberg mit der Herstellung von „Hansi“ Schokolade. Es gestaltest sich schwierig und so kommt es zur Fusion mit der Firma Falkenpflug KG (1921 in Falkenstein/ Vogtland gegründet) zur Süddeutschen Schokoladen-Union. Diese bezieht 1954 ein ehemalige Margarinefabrik in Karlsruhe-Durlach . Produziert wurde die Markenschokolade Falkenpflug bzw. „Hansi“ und Rüger, 1955 waren es 40.000 Tafeln Schokolade am Tag. 1967 gab es eine weitere Fusion mit der Akronym Farückoc GmbH & Co. dessen Werk seit 1999 in Osnabrück steht. Seit Oktober 1974 ist die Marke Otto Rüger KG erloschen.